INTERVIEW MIT MARCO WERNER IM BAUMARKTMANAGER
„Die Hagebau ist ein schlafender Riese“
2018 als Startup gegründet, hat die Online-Tochter der Hagebau ihren Umsatz allein in 2022 fast verdoppelt. Geschäftsführer Marco Werner sprach mit BaumarktManager über Ziele, Herausforderungen und Potenziale.
Welche entscheidenden Erkenntnisse gingen der Gründung von Hagebau Connect voraus?
Ich bin erst Ende 2020 zu Hagebau Connect gekommen. Man kann aber sagen, dass Hagebau vor einigen Jahren gesehen hat, dass es wichtig ist, die Omnichannel-Expertise selbst aufzubauen. Nicht zuletzt wird damit die Marke Hagebau deutlich gestärkt.
Welche Hürden mussten Sie anfangs nehmen, um mit Hagebau Connect auf Kurs zu kommen?
Wie bei vielen Start-ups ist auch Hagebau Connect am Anfang zu schnell gewachsen. Sprich, die Prozesse waren noch nicht auf die Anzahl der Transaktionen abgestimmt. Vor allem über Prozess-Automatisierungen im Bereich Fulfillment und Kundenservice konnten wir uns stark verbessern. Außerdem haben wir gleich zu Beginn eine Re-Organisation durchgeführt und das Führungsteam neu aufgestellt.
Der DIY-Handel und speziell Hagebaumarkt hat gegenüber den E-Commerce Pure-Playern viel Boden gutgemacht, nicht zuletzt durch die Pandemie. Kritiker sehen hier aber nur ein Kratzen an der Oberfläche. Sie vermissen eine weitgehendere Nutzung der digitalen Möglichkeiten, etwa durch mehr Personalisierung. Wie lautet hier Ihr Plan?
Wir als Hagebau haben in der Tat stark aufgeholt, werden dies auch weitertun, bleiben aber realistisch. Die Wettbewerber sind bis zu zehn Jahre früher gestartet und haben daher einen gehörigen Vorsprung – aber der Abstand verringert sich. Personalisierung ist nur ein wichtiges Thema von vielen. Insgesamt müssen wir in der Kundenbindung die digitalen Möglichkeiten besser nutzen. Heute sind wir z. B. im CRM noch sehr analog unterwegs – Papieranträge und Plastikkarten darf man in der heutigen Zeit durchaus infrage stellen. Ein anderes Beispiel ist unsere Hagebau App, die von Kunden sehr gut angenommen wird. Trotzdem ist auch hier mehr möglich. Damit will ich aber nicht für eine vollständige Abschaffung von Papier-Werbebeilagen plädieren. Das erscheint mir doch ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Letztlich geht es darum, jede relevante Zielgruppe über den optimalen Kanal anzusprechen. Das ist auch eine Form der Personalisierung.
Sie möchten dem Kunden das beste Crosschannel-Einkaufserlebnis bieten. Was macht dies aus, was darf nicht fehlen?
Ich könnte jetzt eine lange Liste von Themen aufzählen – das ist alles nicht entscheidend. Entscheidend ist am Ende nur eines: Das, was ich mache, muss ich operativ exzellent machen. Nur so binde ich Kunden an die Hagebau und kann weiter skalieren. Dinge operativ exzellent zu machen, setzt voraus, dass man sich kontinuierlich konsequent weiterentwickelt und nicht aufhört, besser werden zu wollen. Das beste Einkaufserlebnis bieten zu wollen, ist also mehr eine Haltung als eine Projektliste.
Wo zeigt sich eigentlich im Online-Business von Hagebau Connect der Differenzierungsfaktor zu Amazon & Co, die Kompetenz der Beratung?
Anders als andere streben wir keine „Weltherrschaft“ an. Was wir aber ganz bescheiden tun können ist, unsere E-Commerce-Exzellenz mit unserer Regionalität zu verbinden. Wenn wir unsere Fachhändler, also unsere Hagebau-Profis, mit dazuzählen, kommen wir auf weit über 1.500 Standorte in Deutschland und Österreich. Wir haben viel Fachkompetenz und persönliche Nähe in der Nachbarschaft unserer Kunden. Das ist ganz klar eine Differenzierung zu unseren Online-Wettbewerbern, die wir konsequent ausspielen müssen.
Ihr Team hat den „agilen Spirit“, wofür ist der gut?
Ich nenne unsere Arbeitsweise noch lieber „selbstorganisiert“. Unser Leitgedanke ist: Hagebau Connect hat keine Mitarbeiter, sondern Experten. Diese Betonung ist uns wichtig, weil wir damit die Kompetenzen unserer Teams wertschätzen, fordern und fördern wollen. In der Selbstorganisation geht es darum, allen Teams den Freiraum zu geben, den sie brauchen, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Natürlich müssen unsere Führungskräfte Leitplanken setzen. Wir nennen das „attraktive Zukunftsbilder aufzeigen“. Aber wie wir als Unternehmen dort hinkommen, sollen uns die Teams sagen. Denn genau dafür haben wir unsere Experten. Diese Selbstorganisation drückt sich auch in anderen Themen aus. So haben wir das Flex Office eingeführt. Jeder kann dort arbeiten, wo er möchte. Sei es fünf Tage im Büro oder fünf Tage nicht im Büro. Die Teams stimmen sich untereinander ab. Mit regelmäßigen Umfragen über digitale Tools challengen wir uns als Führungsteam und schauen, wo wir besser werden können.
Wir haben eine ausgeprägte Daten-Demokratie“ Marco Werner, Geschäftsführer hagebau connect
Außerdem haben wir eine ausgeprägte Daten-Demokratie. Jeder hat jederzeit Zugriff auf alle relevanten Daten unserer Wertschöpfung. Wofür das gut ist? Fragen Sie unsere Teams und fragen Sie die, die überlegen, zu uns zu kommen.
Früher gab es die externen Logistik-Dienstleister, heute gibt es das Zentrallager in Walsrode, das auch die B2C -Abwicklung übernimmt. Welche Vorteile ergeben sich daraus für Ihre Arbeit?
Wir sind sehr froh, den Wechsel des Lagers in diesem Jahr geräuschlos während des Saisongeschäfts realisiert zu haben. Wir haben mit Hellmann in Halle immer sehr gut zusammengearbeitet und schätzen die Professionalität bis zur letzten Palette. Durch die zentrale Abwicklung in Walsrode versprechen wir uns Synergien in den Logistikkosten, mehr Flexibilität in den Logistikservices und eine starke Ausweitung unseres Online-Sortiments.
Wie hat sich der Umsatz von Hagebau Connect entwickelt?
Wir werden uns in 2022 nahezu verdoppeln. Allerdings sind wir ja noch auf einem recht kleinen Niveau unterwegs – ein 100-Millionen-Unternehmen sind wir noch nicht. Aber wir werden da hinkommen. Wie schnell, wird auch von den Rahmenbedingungen der nächsten Jahre abhängen. Wie jedem Unternehmen machen auch uns Krieg, Energieknappheit und Inflation Sorgen. Aber es ist wichtig, jede Krise als Chance zu sehen. Kopf hoch, Brust raus. Die Hagebau ist wahrlich ein schlafender Riese und kann selbstbewusst in die Zukunft schauen.
Herr Werner, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Der vollständige Artikel ist im Baumarktmanager 12/2022 erschienen. Das Interview erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Rudolf Müller Verlags.